×

Als die Ennendaner Druckerei Daniel Jenny & Cie nach Afrika exportierte

Kurz vor ihrer Schliessung hat die Ennendaner Druckerei Daniel Jenny & Cie nach Afrika exportiert. Eine Kunsthistorikerin berichtet davon in der neuesten Ausgabe der Edition Comptoir-Blätter.

Südostschweiz
13.12.22 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Bunte Vögel: Dieser Schal mit Fantasietieren wurde nach Westafrika exportiert.
Bunte Vögel: Dieser Schal mit Fantasietieren wurde nach Westafrika exportiert.
Pressebild

von Claudia Kock Marti

Das Comptoir-Archiv in Ennenda ist bis heute eine Fundgrube für historische Untersuchungen über den Handel mit Glarner Textildruckerzeugnissen in weite Teile der Welt. Die neueste Edition in der Reihe Comptoirblätter beschäftigt sich mit dem Handel mit Afrika in den letzten Geschäftsjahren der Stoffdruckerei Daniel Jenny & Cie in Ennenda, welche mit bunten Motiven bedruckte Wickeltücher, sogenannte Kangas, nach Ost- und Westafrika lieferte.

Anne Wanner-JeanRichard, Kunsthistorikerin und ehemalige Kuratorin des Textilmuseums St. Gallen, hat die Briefwechsel mit Handelsvermittlern, Auftragsbücher und Musterverzeichnisse aus der Zeit von 1903 bis 1907 analysiert. Herausgekommen ist eine Publikation, die sich als bewegender Abschluss einer Ära des Glarner Zeugdrucks lesen lässt.

Frau Wanner, was hat Sie motiviert, die in deutscher Kurrentschrift verfasste Korrespondenz aus dem Handel der Firma Daniel Jenny & Cie mit Afrika aus den Jahren 1903 bis 1907 zu transkribieren?

Anne Wanner: Das hat eine längere Vorgeschichte. So habe ich 1968 meine Dissertation zum Stoffdruck verfasst und mich auch schon über die Literatur von Adolf Jenny mit dem Glarner Textilhandel mit Afrika beschäftigt. Reto Jenny und Ruth Kobelt haben mich auf die unaufgearbeitete Korrespondenz im Archiv des Comptoirs aufmerksam gemacht. Meine Hauptmotivation war, diese Quellen zugänglich zu machen. Es sind Hunderte von kopierten Briefen, die in Büchern gebunden wurden. Wobei ich mich auf die Briefe von Vermittlern anfangs des 20. Jahrhunderts kurz vor dem Ende der Druckerei Daniel Jenny & Cie konzentriert habe.

Wie sind Sie vorgegangen?

Das war sozusagen eine Pandemie-Arbeit. Ich habe in Ennenda Hunderte Briefe fotografiert und dann bei mir in Rheinfelden transkribiert.

Gab es bei Ihren Recherchen neue Erkenntnisse?

Ja, sicher. In den Briefen steht sehr viel drin, das man sich anders vorgestellt hat. Wenn man nur Bilder hat, macht man sich gerne unrichtige Vorstellungen.

Was erzählen denn die Handelsbriefe konkret an neuen Geschichten?

In der Literatur hiess es bislang, dass die indisch beeinflusste Bezeichnung «Kanga» für Wickeltücher in Ostafrika stehe. Die Briefe zeigen, dass «Kanga» in der Firma Daniel Jenny & Cie zur Produktbezeichnung wurde. Dies auch für den Handel mit der Goldküste in Westafrika. Eine andere Erkenntnis ist, dass die Produzenten in Ennenda nicht selber nach Afrika gereist sind, wie das bei anderen Glarner Stoffdruckfirmen mit dem Handel zum Beispiel nach Indonesien der Fall gewesen war. Stattdessen lief das Geschäft über einen Vermittler in Bremen und einen in Amsterdam.

Wie wussten die Ennendaner ohne direkten Kontakt mit ihren weit entfernten Abnehmern, was sie liefern sollten?

Da wurde vieles ausprobiert. Den Briefen ist zu entnehmen, dass die Vermittler gegen Provision mit dem Produzenten Aufträge abmachten und dazu auch Muster nach Ennenda schickten. Interessant ist, dass man in Ennenda zunächst nicht begeistert war, vorgeschlagene Motive nachzuahmen. Man wollte die bereits vorhandenen Model gebrauchen.

Was für Stoffe wurden exportiert?

Die erste Kollektion mit Blumenmustern nach Ostafrika funktionierte zum Beispiel nicht. Was aber wohl auf Interesse in Afrika stiess, waren die leuchtenden Farbstoffe aus dem Glarnerland.

Wer konnte sich die in Glarus produzierten Stoffe in den kolonialisierten afrikanischen Ländern Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt leisten?

Die Frage kann ich leider nicht beantworten. Die Vermittler hatten ihre afrikanischen Handelspartner vor Ort, zum Teil kennt man auch die Namen. Man weiss, dass afrikanische Frauen die Tücher von den Europäern kauften und auf afrikanische Märkte brachten. Das Engagement der Ennendaner Produzenten endete am Hafen in Bremen oder Amsterdam. Die Produzenten wollten so wenig wie möglich investieren und, wie gesagt, auch nicht ständig neue Motive liefern, wie dies die Kundschaft in Ostafrika forderte.

Was hat denn gut funktioniert? In der Publikation sieht man Muster mit Affen, Krokodilen, aber auch mit Buchstaben und Noten.

Mit der Zeit hat sich schon eine Linie gezeigt. So ist im Briefverkehr mit den Vermittlern auch nachzulesen, dass die Kundschaft eine Vorliebe für sogenannte Wachsbrüche zeigte. Das sind feine Linienmusterungen, die bei der Batiktechnik entstehen. Worauf die Ennendaner und später dann etwa auch die Glarner Firma Hohlenstein reagierten.

In Ihrer Publikation werden nicht nur kleine Musterabschnitte, sondern erstmals auch zwölf originale Ganztücher publiziert, die in Ennenda für Afrika gedruckt wurden.

Ja. Die Familie Jenny wusste, dass es diese irgendwo gibt und hat sie für die Publikation ausgegraben.

Hätte sich der Handel mit Afrika für Daniel Jenny & Cie irgendwann auch lohnen können?

Für die Ennendaner Firma war es fast schon zu spät, da sie vor allem noch mit Hand druckte. Sie hätte gross investieren müssen. Und wenig später änderte sich mit dem Ersten Weltkrieg die Weltlage deutlich.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Wirtschaft MEHR