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«Dann betrügst du dich und das Spiel»

Drei Jahre begeisterte DJ Wolfe die Fans der Calanda Broncos. Mit dem Swiss Bowl am Samstag ging die Zeit des Ballträgers und Allrounders in Chur zu Ende. Im Interview äussert sich der Amerikaner über die Zeit als Bronco und seinen Abgang.

Südostschweiz
15.07.13 - 02:01 Uhr

DJ Wolfe, Ihr dritter Swiss Bowl mit den Broncos, Ihr dritter NLA-Titel. Am Ende wurde es in Grenchen beim 46:41-Sieg gegen Basel aber richtig eng … DJ Wolfe: Ja, zu eng.

Sie und Ihr Ballträger-Kollege Tino Muggwyler standen beim letzten Offensiv-Drive der Broncos so richtig unter Druck. Ein einziger Fehler und das Spiel wäre wohl verloren gegangen. Ja, das war tough. Die Offense-Line machte da zum Glück einen sehr guten Job für uns. Und Tino holte uns da ein paar sehr wichtige erste Versuche. Wir beide konnten uns da gegenseitig abwechselnd etwas Luft zum Atmen verschaffen.

Die Broncos lagen zwischenzeitlich mit drei Touchdowns Vorpsrung vorne … Ja, und dann spielte Basel ein grossartiges Schlussviertel. Es war am Ende ein grosses Spiel. Genau die Art Spiel, die wir benötigten. Ein echter Kampf, nicht einfach ein lockerer Sieg.

Es war Ihr letztes Spiel als Bronco. Sie feierten Ihren dritten Meistertitel und wurden zum MVP des Spiels ausgezeichnet. Ist das der perfekte Abschied? Ich glaube schon. Was die MVP-Auszeichnung angeht: Vielleicht erhielt ich die aus Mitleid (lacht). Tino Muggwlyer, Josh Firm, Adrian Sünderhauf – sie alle spielten in diesem Swiss Bowl grossartig auf. Aber ich bin natürlich dankbar für diese Auszeichnung.

Ihr Entscheid, die Broncos zu verlassen, stand schon seit ein paar Wochen fest. Bereuen Sie ihn nun? Bevor der Entscheid definitiv feststand, dachte ich noch «Vielleicht sollte ich anders entscheiden. Wer weiss?» Aber jetzt ist klar: Ich kann und werde mir nicht erlauben, nächstes Jahr zurückzukommen.

Warum? So, wie ich in den USA mit diesem Sport aufgewachsen bin, weiss ich, dass das Heben der Gewichte und das Krafttraining allgemein das Wichtigste im American Football ist. Wenn du das nicht systematisch tust als Team, wenn das vom Verein nicht als Pflicht veranlasst wird, dann betrügst du nicht nur dich selbst, sondern auch das Spiel. Das ist der Hauptgrund für mich. Ich liebe alle meine Mitspieler hier und bin dankbar für diese Chance, die ich erhielt. Aber ich kann meinen Körper nicht mehr derart aufs Spiel setzen.

Wie meinen Sie das? Ausser Biel und vielleicht Zürich war diese Saison jedes gegnerische Team physisch stärker als wir. Die Basler sind ein gutes Beispiel. Sie entwickeln sich im Kraftbereich kontinuierlich. Darum ist es ein Verrat am ganzen Programm einer Organisation, wenn das Krafttraining im Winter nicht obligatorisch wird.

In einem Amateurverein ist dies halt schwieriger durchzusetzen … Ja, und ich verstehe, dass die meisten Jungs daneben arbeiten. Aber man kann ja im Winter zwei oder drei Mal in der Woche ein einstündiges obligatorisches Krafttraining haben. Das ist nicht zu viel verlangt. Während der Saison im Sommer trainieren wir ja schliesslich auch vier Mal in der Woche. Und wer dieses Krafttraining im Winter versäumt, muss mit Konsequenzen rechnen. Wie bei der Arbeit, wenn man einfach nicht hingeht.

Mit einem eher schmalen Kader ist es kaum möglich, Konsequenzen wirklich konsequent durchzuziehen. Falsch! Die Jungs, die den Sport lieben, werden alles tun, was man ihnen sagt. Die hungrigen und willigen Spieler müssen die anderen verdrängen und diese wiederum hungrig und willig machen, ihren Platz als Starter zurückzuerobern. Das ist nichts als logisch.

Haben zuletzt zu viele Imports den Einheimischen die Plätze und Laune genommen? Letztes Jahr hatten wir zu viele Imports, das sah jeder. Aber dieses Jahr waren genügend Plätze für einheimische Spieler vorhanden. Bis auf wenige Ausnahmen stammen die meisten Broncos aus einem Umkreis von 40 oder 50 Kilometern – das ist wie bei Basel, Zürich oder Bern. Und nächste Saison werden vielleicht noch mehr Plätze für Einheimische zur Verfügung stehen. Also liegt es an ihnen, diese Chancen zu packen.

Das haben diese Saison einige getan. Genau. Leute wie Nathanael Fellberius, Kai Takahashi, Ronny Lietha oder Claudio Schenker haben sich wieder markant gesteigert. Oder nehmen sie Lineman Orfeo Ferretti. Er begann erst letzte Saison mit dem Football, riss sich dann im Wintertraining förmlich den Arsch auf. Nun ist er bereits Starter und kann in Offensive wie auch Defensive eingesetzt werden. Seine Einstellung müssen andere auch übernehmen.

Vielleicht ist diese «Vernachlässigung» der Preis des Erfolgs. Die Broncos gewannen in den letzten Jahren ja trotzdem, weil sie den Gegnern bezüglich Skills schlicht überlegen waren. Das ist so. Wir gewannen oft dank Skills, nicht dank Power. Das sieht man auf den Videos der Spiele eindeutig. Wenn du als Spieler vom Vorstand weniger Imports forderst, ist das okay. Aber dann musst du deinen Job tun. Dazu gehört, im Winter stärker zu werden, um das ganze Team besser zu machen. Dies wiederum muss dir vom Verein als Pflicht vorgeschrieben werden. Es waren letzten Winter aber nur fünf oder sechs Spieler, die ein Minimum des Nötigen taten. Und alle diese Spieler wurden nicht nur mit klar mehr Einsatzzeit belohnt, sondern spielten auch signifikant besser.

Sie wären gerne geblieben, der Klub hätte Sie gerne behalten. Dennoch fand man keinen gemeinsamen Nenner. Sind Sie traurig, dass Ihre Zeit mit den Broncos nun so ein Ende nimmt? Ja, aber alles hat halt ein Ende. Vieles veränderte sich für mich nach letzter Saison. Wie uns gewisse Teams wörtlich «überpowerten», so wie Basel beim Qualifikations-Heimspiel in Chur, ist nicht wirklich schön. Wir wussten, dass Basel immer laufen und nie passen würde, und dennoch konnten wir sie zu oft nicht stoppen.

Welche guten Sachen nehmen Sie aus Graubünden mit nach drei Jahren? Ich glaube, ich bin der einzige US-Import, der in den letzten drei Jahren stets in der NLA spielte. Ich lernte viele Freunde und spezielle Leute kennen, die ich vermissen werde. Ich schaue das gesamte Erlebte als positiv an. Diese Chance, die mir der damalige Präsident Walter Tribolet gab, hier zu spielen und zu leben, war grossartig. Und ich sage das nicht nur als Spieler. Junioren­coach Robin Haas gab mir die Möglichkeit, bei den U16 und U19 im Training zu helfen. Und es liegt in meiner Natur zu helfen und zu unterstützen. Ich war froh, den Junioren Sachen beibringen zu können – und seien es noch so kleine Details. Ich habe mit den Broncos zwar drei nationale Titel gewonnen. Ich bin aber genauso glücklich, wenn nicht fast noch glücklicher darüber, was die U19 diese Saison mit dem Meister­titel als Krönung erreicht hat. Das macht mich sehr, sehr stolz.

Wohin zieht es Sie nun? Ich kann das noch nicht sagen. Ich hoffe, dass mein neues Team nicht zu viele Länder von der Schweiz entfernt sein wird. Es hat mir hier schliesslich sehr gut gefallen. Und ich habe 20 meiner letzten 27 Monate hier verbracht. Mein Nummer-1-Ziel wäre ein Team, das Eurobowl spielt.

Also können wir es eingrenzen auf Wien, Innsbruck oder ein deutsches Team … (lacht) Ich sagte nur «Ziel». Umstände können sich ändern, unerwartete Gelegenheiten können sich ergeben.

Mit DJ Wolfe sprach Kristian Kapp

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