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Jacqueline Gasser: «Ich habe mein Glück nun kompensiert»

Jacqueline Gasser hat letztes Jahr die Extreme des Spitzensports erlebt. Auf die überraschende Olympiaqualifikation mit der Sprintstaffel folgte eine Verletzung just vor London 2012. Nun steht die Haldensteinerin vor einem «Neustart».

Südostschweiz
05.06.13 - 02:00 Uhr

Von Kristian Kapp

Leichtathletik. – London 2012. Worte, die bei Jacqueline Gasser auch Monate danach noch Emotionen auslösen. Zwar ist Olympia in Englands Kapitale bald schon ein ganzes Jahr her. Und es waren Sommerspiele, an denen die 23-jährige Haldensteinerin nicht starten durfte, obwohl sie als Teil der historisch guten Schweizer Sprintstaffel vorgesehen war. Ein Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel zerstörte den olympischen Traum der schnellsten Bündnerin. London brachte Gasser kein Glück. Mittlerweile hat sie sich mit der Stadt versöhnt. «London ist ja schön. Und die Eröffnungsfeier war unglaublich. So gigantisch! So viel Adrenalin!»

Die Verletzung prägte die Sprinterin über Olympia hinaus. Sie startete weder mit der Staffel an der Athletissima Lausanne noch als Einzelathletin bei Weltklasse Zürich. «Ich wollte nichts riskieren», sagt Gasser. So konnte sie das Wintertraining komplett gesund in Angriff nehmen. Ein Wintertraining, bei dem sie neue persönliche Wege ging: «Ich habe erstmals überhaupt sprintspezifisches Krafttraining betrieben», gesteht sie. Die Übungen im Sprintkanal des Zürcher Letzigrundstadions waren somit eine grosse Umstellung. «Mein Körper muss das jetzt verdauen», sagt Gasser. «Ich habe nun zwar viel Kraft in den Beinen, kann diese aber auf der Bahn noch nicht in Geschwindigkeit umwandeln.»

«Sport ist nicht immer nur schön»

Vor knapp zwei Wochen startete Gasser am Meeting in Weinheim über 100 Meter und damit erstmals seit Olympia wieder outdoor an einem Rennen. Und da wurden ihr auch die anderen Folgen ihrer Verletzung bewusst. «Ich war extrem nervös, habe fast gezittert vor dem Start. Die Wettkampferfahrung fehlte», erzählt Gasser. Körperlich sei sie zwar wieder fit, im Kopf sei die ganze Olympiageschichte aber noch nicht ganz verdaut. Viele Gedanken seien ihr nach der langen Pause durch den Kopf geschwirrt: «Wo stehe ich? Wie gut sind die anderen? Hoffentlich verliere ich nicht … So verkrampfst du dich nur.» Die erste richtige und lange Verletzungspause ihrer Karriere hat Gasser geprägt. Sie habe eine andere Einstellung erhalten: «Sport ist nicht immer nur schön. Er zeichnet sich auch dadurch aus, dass du nach einem Tief wieder kämpfen musst, um wieder gut zu werden. Das macht dich stärker.»

Gasser sieht sich nun an einem Neustart: «Ich war zuvor immer gesund und musste mein Glück nun kompensieren – wenn auch im dümmsten Moment.» Und auch wenn im Jahr 1 nach London sich nicht mehr alles um Olympia dreht, hat sie genügend Ziele für dieses Jahr. Die Starts der Schweizer Frauenstaffel an Universiade und WM – beides in Russland – sind gesichert. Nun möchte die Bündnerin ihren Platz zurückkämpfen. Sie ist eine von zehn Sprinterinnen für die vier Plätze. Und dann locken die Starts bei Atletissima Lausanne und sogar Weltklasse Zürich, wo die Männerstaffel durch die Frauen ersetzt wird. Den ganzen Aufwand betreibt die Athletin des BTV Chur nach wie vor neben der Ausbildung zur Physiotherapeutin. Ein Profileben liegt nicht drin. Sie sei aber zufrieden, so wie es sei, betont Gasser. Darum sei auch ein möglicher Wechsel zum LC Zürich kein Thema – selbst wenn ihr dies finanziell Vorteile bringen würde. «Das Wichtigste ist für mich, Spass an der Leichtathletik zu haben», sagt Gasser. «Ohne würde ich aufhören.»

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