Städtepartnerschaft von Tibetern lanciert
Drei Tibeter haben am Sonntag einen Kultur- anlass der Gemeinde Arosa und der Volksrepublik China gestört – zwei andere Tibeter hatten die umstrittene Städtepartner- schaft lanciert. Das BT befragte beide Seiten über ihre Beweggründe.
Drei Tibeter haben am Sonntag einen Kultur- anlass der Gemeinde Arosa und der Volksrepublik China gestört – zwei andere Tibeter hatten die umstrittene Städtepartner- schaft lanciert. Das BT befragte beide Seiten über ihre Beweggründe.
Von Christian Buxhofer
Zur ersten gemeinsamen Veranstaltung im Rahmen der Städtepartnerschaft Arosa – Shangri-La am Sonntagnachmittag im Sport- und Kongresszentrum Arosa wurde auch eine Delegation der Schweizer Tibetorganisationen, die vor dem Gebäude demonstrierte, zugelassen. Hatten sie ihre Störaktion, die kurz vor Schluss des Anlasses für turbulente Momente sorgte (BT von gestern), im Detail vorbereitet? «Nein», betonte gestern Migmar Raith, Vorstandsmitglied der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft, «wir wollten die Veranstaltung nicht beeinflussen.» Er selbst habe zur Delegation gehört, die an der Veranstaltung dabei sein konnte.
Die Darbietungen seien eine «kitschige Verfälschung der tibetischen Kultur» gewesen, so Raith weiter. Einzig der Auftritt dreier Gitarristen sei authentisch gewesen. Er habe den Saal einige Minuten vor Ende der Veranstaltung verlassen und seine tibetischen Freunde, die in der Kälte ausharrten, darüber informiert. Dann sei bei einigen Exil-Tibetern spontan die Idee entstanden, im Saal lautstark «Menschenrechte für Tibet» und «Freiheit in Tibet» zu fordern. Zu seinem Erstaunen hätten seine Landsleute den Saal problemlos betreten können und seien erst dort am Protest gehindert worden. Dies sei ein Beispiel mehr, dass China die freie Meinungsäusserung nicht zulassen wolle.
Partnerschaft kein Zufall
Tourismusdirektor Pascal Jenny hat für die Störaktion und die Kritik wenig Verständnis. Die Städtepartnerschaft sei auf Impuls der beiden Aroser Gäste Songtsen und Ghaden Gyalzur zustande gekommen, die tibetische Wurzeln haben. Das zeige doch klar auf, wie seriös sich Arosa diesen Schritt überlegt habe. Arosa wolle mit der Partnerschaft mithelfen, Entwicklungen möglich zu machen: «Wir sind diese Partnerschaft bestimmt nicht mit der rosaroten Brille angegangen.»
Tatsächlich haben die Eltern der beiden Brüder Gyalzur die chinesische Kulturrevolution am eigenen Leib erlebt: «Meine Mutter hat in diesem schwarzen Kapitel der Geschichte Tibets ihre ganze Familie verloren», so Ghaden Gyalzur, dessen Eltern über Deutschland in die Schweiz kamen und hier ein neues Leben aufbauten. Vater Gyalzur gehörte zu den Mitbegründern der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft. Hauptzeil dieser Vereinigung sei es damals gewesen, die Integration der in die Schweiz geflüchteten Tibetern zu vereinfachen: «Mein Bruder und ich sind in der Schweiz auf die Welt gekommen und sind heute stolze Schweizer Staatsbürger mit tief verwurzeltem tibetischem Hintergrund.»
Engagement fürs eigene Volk
Entscheidend ist für Ghaden Gyalzur, «was wir im Dialog und in Zusammenarbeit hier und vor Ort in Tibet für das eigenen Volk erbringen können, um die Ökologie, Kultur und den Glauben weiterhin zu erhalten.» So seien seine Eltern vor rund 20 Jahren wieder nach Tibet zurückgekehrt und würden sich nun vor Ort für die Bevölkerung engagieren. Als Beispiel nennt Ghaden Gyalzur das Kinderhilfswerk Tendol Gyalzur in Tibet (www.tendol-gyalzur-tibet.ch).
In Shangri-La leben laut Gyalzur hauptsächlich tibetische Landsleute mit etwa weiteren 15 Volksgruppen und mit Han-Chinesen «harmonisch und mit dem nötigen gegenseitigen Respekt» zusammen. Shangri-La werde immer mehr zu einem touristischen Anker in China: «Und diesen grossen touristischen Strömen wollen wir mit unserem Know-how zu einer ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit verhelfen», begründet Ghaden Gyalzur sein Interesse an der im Oktober besiegelten Städtepartnerschaft Arosa – Shangri-La. Inzwischen lebt auch Ghadens Bruder wieder in Shangri-La, und ihre gemeinsame Firma www.generalista.ch investiert dort in «nachhaltige und soziale Projekte zum Wohle der tibetischen Bevölkerung». Die Partnerschaft mit Arosa sei von ihm und seinem Bruder mit dem Ziel initiiert worden, «einen kulturellen Austausch und nachhaltige wirtschaftliche Verbesserung beider Destinationen zu erwirken».
Den Vorwurf der Schweizer Tibeter-Organisationen, Arosa sei die erste Tourismusdestination der Schweiz, welche eine Partnerschaft «mit einer von Tibetern besiedelten, fremdbestimmten Region eingehe», weist Gyalzur zurück. Erstens befinde sich Shangri-La nicht im autonomen Gebiet Tibets und zweitens seien beispielsweise Zermatt und Schweiz Tourismus mit der Stadt Lijiang in Osttibet eine ähnliche Partnerschaft eingegangen.
Doppelte Freude an Darbietung
Die in Arosa aufgetretene Künstlergruppe stammt laut Jianquan Liang, Generalkonsul der Volksrepublik China in Zürich, aus dem autonomen Bezirk Hainan in der Provinz Qinghai. Mit ihren Tänzen und Liedern hätten sie die «Leidenschaft und Freundschaft des tibetischen Volkes» dargeboten. Er selbst stamme ebenfalls aus dieser Region, betonte Liang, und habe am gelungenen Auftritt deshalb doppelte Freude gehabt. Und dem Aroser Publikum habe der Auftritt ebenfalls gefallen, wie der grosse Applaus gezeigt habe.
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